Interview mit Grit Lehmann (2)
Autor: Ingolf Rust, Freitag, 27. März 2009Dynamics: Wie ihr in Eurem Vorwort im Programmheft ja schon geschrieben habt, liegt in den nächsten Wochen sicher kein einfacher Weg vor Euch, und mit Dresden wartet ja nun auch nicht gerade ein „Aufbaugegner“. Wie verlief die Trainingswoche bisher und mit wie viel Optimismus im Gepäck fahrt ihr nach Dresden? Im Spiel gegen Schwerin gab es ja doch einige positive Dinge, an die man anknüpfen könnte – z.B der Schnellangriff durch die Mitte.
Grit: Wir sind immer optimistisch, keiner von uns fährt nach Dresden um zu verlieren! Wir haben diese Woche bereits am Montag trainiert, anstelle der gewohnten Regeneration. Die Annahme im Spiel gegen Schwerin war schon wesentlich besser als im Spiel gegen VCO, darum konnten wir auch wieder ein bisschen mehr durch die Mitte spielen! Und danke nochmal dem tapferen Publikum und euch Fans natürlich für die tolle Unterstützung, trotz der schlechten Resultate in den letzten Wochen.
Dynamics: Das Problem mit der Annahme zieht sich ja durch die gesamte Saison. Du und auch einige andere erfahrene Spielerinnen der Liga scheinen den neuen Ball immer noch nicht ganz zu mögen, und zum Teil schienen es die Aufschläger bei den Gegnern ja auf dich abgesehen zu haben. Wie sehr zehrt das an den Nerven und legt ihr im Training da noch besonderen Wert drauf?
Grit: Der Ball ist und bleibt komisch. Es kommt vor, dass wir während des Trainings die ganze Woche gut zurechtkommen, aber während des Spiels mächtige Probleme haben. Die Veränderungen in den Aufstellungen (als Folge von Verletzungspech und Mila´s Schwangerschaft) über die ganze Saison spielt sicher auch eine Rolle, wir haben zum Teil Abstimmungsprobleme, die in einer eingespielten Truppe viel seltener sind. Der Ball verhält sich auch unterschiedlich in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur, ein weiterer schwer vorhersehbarer und trainierbarer Faktor. Das alles nervt unheimlich, aber wir trainieren hart an diesem Problem. Ich persönlich muss noch härter an diesem Problem arbeiten, letztes Jahr habe ich Diagonal und das letzte Jahr in Belgien Mitte gespielt. Es ist also nur logisch, dass die gegnerischen Mannschaften es auf mich absehen, es ist schon eine Weile her, dass ich voll in der Annahme stand.
Dynamics: Auf der anderen Seite ist auch das Risiko bei den Aufschlägen zuletzt merklich raus genommen worden. Täuscht das, oder ist das vielleicht auch ein Zeichen, dass da Sicherheit und vielleicht auch Selbstvertrauen fehlt?
Grit: Das ist meines Erachtens ebenfalls ein Resultat des neuen Balles. Die Bälle, die für die Außenstehenden einfach aussehen machen die meisten “Schweinereien”! Ein hart geschlagener Ball hat weniger Abweichungen in seiner Flugkurve. Das Problem ist also nicht das Selbstvertrauen.
Dynamics: In dieser Saison kam ja fast alles zusammen, was einem Team im Laufe einer Saison zustoßen kann. Wie viel Spaß macht das Volleyball-Spielen in so einer Situation noch, und wie ist die Stimmung im Team zur Zeit?
Grit: In dieser Saison ist uns das passiert, was einer normalen Mannschaft in mehreren Jahren passiert: die Todesfälle, die großen (Mona) und vielen kleineren Verletzungen, das Lospech im Pokal, Anja´s Referendariat und Mila´s Schwangerschaft.
Ich selbst bin auch etwas genervt, da ich die letzten beiden Jahre keine optimale Saisonvorbereitung hatte, letztes Jahr habe ich mir während der Vorbereitung einen Zeh gebrochen, diese Saison hatte ich in der Vorbereitung mit einer Toxoplasmose zu kämpfen, wodurch ich jeweils mehrere Wochen nicht optimal trainieren konnte. Aber natürlich macht Volleyball noch Spaß, momentan ist es nicht einfach, aber mit Spaß und Ehrgeiz werden wir auch diese Phase überwinden, dafür spielen wir zu gern Volleyball. Frauenvolleyball ist eine Mannschaftssportart, die man nicht des Geldes wegen betreibt, wenn man Vollzeit arbeiten gehen würde, würde man mehr Geld verdienen, Frauenvolleyball ist Passion.
Die Stimmung ist schwer zu beschreiben. Einerseits haben wir eine super Truppe, die auch außerhalb der Wolfsgrube viel zusammen unternimmt, andererseits haben wir diese Saison Probleme es auf dem Volleyballfeld zu zeigen. Es ist auch nicht jeder ist gleich extrovertiert.
Dynamics: Für die nächste Saison kommt ja wieder ein Neuaufbau mit einem neuen Coach auf euch zu. Welche Ziele steckt sich das Team für die kommende Spielzeit?
Grit: Die Fragen, die sich erst stellen, sind: wer wird der neue Coach und welche Spielerinnen bleiben, gehen und kommen. Auch ich habe noch keine Vertragsverlängerung, will aber sicher noch mindestens 1 Jahr Volleyball spielen.
Persönlich beginne ich eine Saison nie mit der Maßgabe 4., 3. oder 2. zu werden, auch wenn ich bei keiner Topmannschaft spielen würde, spiele ich immer um zu gewinnen. Am Ende einer Saison muss man ein Fazit ziehen, ob das Resultat anhand der Umstände der abgelaufenen Saison ok ist.
Dynamics: Jetzt hat sich ja zu allem Überfluss der Winter noch mal zurück gemeldet. Freust du dich schon auf den Sommer und evtl. auf eine neue Runde Beachvolleyball? Das machte ja sicher mehr Spaß, als der „Krampf“ in der Halle zur Zeit. 😉
Grit: Die Halle und auf jeden Fall das Publikum machen noch immer Spaß, ansonsten würde ich nicht mehr spielen. Es ist einfach super, wie ihr auch in dieser Zeit zu uns haltet.
Beachvolleyball steht für mich momentan im Hintergrund, Mila ist außer Gefecht und ich brauche nach dem Ablauf dieser Saison definitiv erst mal ein bisschen Sonne! 🙂
Dynamics: Irgendwie haben die Interviews früher mehr Spaß gemacht, aber durch dieses Tal schaffen wir es auch gemeinsam durch. Wir drücken die Daumen für die kommenden Spiele und bedanken uns für deine Mühe.
Grit: Danke. Den Suhler Fans ist mir diese Mühe 100% wert!
Fotos: René Siegling
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Schlagworte: Grit Lehmann, Interview
27. März 2009 um 14:27 Uhr
Mal wieder ein richtig aufschlussreiches Interview. Das lässt doch für die Zukunft hoffen. 🙂